Was ist das Besondere am Kirchenraum?

Wussten Sie schon?

In die Kirche gehen zu können, ist selbstverständlich. In unsere Kirche(n) ehen zu können, ist schön. Für mich jedenfalls. Ich sitze gern in der Kirche, selbst wenn sie leer ist. Es zwingt mich niemand dazu, ich gehe einfach, wenn mir danach ist. Anderen scheint das anders zu gehen. Nur wenn etwas sehr schlimmes passiert, dann finden plötzlich viele Menschen den Weg in eine Kirche. Zum Beispiel nach Großschadensereignissen, wie es offiziell heißt. Und ich frage mich, warum dann die Leute ausgerechnet in eine Kirche gehen, wo sie doch sonst gar nicht zu interessieren scheint, ob eine Kirche da ist oder nicht. Jetzt hören sie sich Bibelworte an, falten die Hände zum Gebet und können Stille ertragen. Was ist das Besondere an einer Kirche, am sakralen Raum, d.h. heiliger Ort?

Heilig ist er, indem er abgetrennt ist vom Alltäglichen, abgesondert von Arbeitsräumen, Verkehrswegen und privaten Wohnungen. Die Kirche ist ein öffentlicher Raum, aber sie ist nicht verfügbar, ist nicht für jeden Zweck zu haben und umzugestalten. Die Kirche dient keinem Zweck, erst recht keinem kommerziellen Zweck. Sie ist zweckfrei, aber nicht sinnlos. Hierher kommt man nicht, weil man etwas Bestimmtes erreichen will oder schaffen muss. In die Kirche kommt man, weil und wenn man sich ansprechen lassen möchte – von Gott, dem Ursprung und Ziel unseres Lebens. Wenn man sich ansprechen lassen möchte auf den Sinn seines Lebens hin. Oder wenn man danken möchte. Und auch, wenn man klagen muss, wenn man voller Fragen ist. Wenn alles fraglich geworden ist: der Sinn, die Welt, das Leben.

Auch in der Kirche gibt es nicht auf jede Frage eine Antwort. Der Sinn des Lebens steht nicht einfach im Gesangbuch. Aber hier kann man das am ehesten aushalten, dass nicht jede Frage eine Antwort kennt. Diese Steine haben schon unzählige Menschen beherbergt, die nicht aus noch ein wussten, die überschäumend vor Glück oder untröstlich traurig waren. In diesen Mauern muss nicht sofort eine Lösung gefunden werden für ein Problem wie auf Arbeit. Hier ist Platz und Zeit für Tränen. Hier drängt nicht die Zeit, muss es nicht sofort weitergehen.
In der Kirche kann man Mensch sein, weil hier allen augenfällig werden kann: Wir sind Geschöpfe Gottes. Wir stehen alle vor Gott als verletzliche und unvollkommene Menschen. Das steht tatsächlich im Gesangbuch und ist auf den Bildern zu sehen. Hier müssen wir nicht gewinnen, müssen nicht alles schaffen. Hier finden wir Ruhe im Sturm.

Wäre es nicht schön, wenn unsere Kirche öfter offen wäre, wenn jemand bereit wäre, in der Kirche zu wachen, damit keiner die Schönheit zerstört?

vom

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