Du tust mir kund den Weg zum Leben

Psalm 16

Liebe Leser,

nun sind inzwischen die Kartons mit dem „Weihnachtszeuch“ wieder auf dem Boden oder im Keller verstaut. Schwibbögen, Männeln, Krippenfiguren gehen in den Sommerschlaf. In der Ecke, am Haken, baumelt, mit Folie überzogen, der Herrenhuter Stern. Und während ich die letzte Schachtel untergebracht habe, fällt mir eine, mit alten Fotos gefüllte Mappe in die Hände. Ja, der Hausboden birgt Schätze und ist oft für eine Entdeckung gut.

Ich ziehe ein Bild heraus. Darauf zu sehen ein festlich gekleidetes Paar. Sie in feiner Spitzenbluse, hochgeschlossen, das lockige dunkle Haar mit dezenten Spangen in Fassung gebracht. Er, natürlich im weißen Hemd, dunkler Krawatte und Sakko aus edlem Zwirn. Rückseitig lese ich in altdeutscher Schrift: „Unsere Silberne Hochzeit am 10. September 1940. Wir Dankbaren. Sigrid und Wolfgang.“

Meine Erinnerungen an familiär-geschichtliches werden wach. Tante Sigrid, eine jüngere Cousine meiner Großmutter. Sie lebte in Berlin. Kurz nach besagtem Fest verliert Wolfgang für Volk und Vaterland sein Leben. Sie steht mit fünf Kindern allein da und ein paar Jahre später inmitten einer einzigen Trümmerwüste. Zweimal erkrankt sie lebensbedrohlich. Aber ihr Lebenswille, ihr Gottvertrauen und ihr Humor, verbunden mit der Fähigkeit aus (fast) allem, das Beste zu machen, lassen sie die schlimmen Jahre überstehen. Eine lebensmutige Frau. Die Kinder haben je ihren Weg gemacht, als Mediziner, Jurist, Ingenieur, Krankenschwester. Sie sagten, dass es, egal wie aussichtslos die Lage schien, für Mutter keine unüberwindbaren Hürden gab. Sie war froh, trotz der Trauer um den Vater, mit uns am Leben zu sein. Nur eine Sorge trieb sie um: Unser Glaube an Gott und das Gute könnte verloren gehen wie beinahe alle unsere materiellen Güter entweder verloren oder kaputt waren.

Was verknüpfe ich mit der Entdeckung des alten Fotos sowie meinen Erinnerungen an das Überlieferte, denn Tante Sigrid verstarb ehe ich das Licht der Welt erblickte. Es ist der Monatsspruch aus Psalm 16: „Du tust mir kund den Weg zum Leben.“ Darauf dürfen wir bauen und vertrauen. Damals, in den Kriegs- und Nachkriegszeiten, war dieses Bekenntnis für jene Frau Anker und Hoffnungsschimmer in einem.

Kann es für uns, in einer Gottlob friedlichen und gut situierten Zeitepoche, nicht genauso sein? Ich wünsche uns, Gottes Namen, Dankbarkeit, Zufriedenheit und unbeirrbare Zuversicht!

Herzlichst,
Ihr/Euer Karsten Loderstädt

vom

Burkhardswalde
Nossen
Rüsseina und Leuben
Siebenlehn und Reinsberg